Genschere findet Angriffspunkt für Hodenkrebs-Therapie
Bonner Forschende decken den Beitrag von Proteinabbau-Prozessen zur Cisplatin-Resistenz bei Keimzelltumoren auf
Bonn, 11. April – Cisplatin wird in der Chemotherapie von Hodenkrebs erfolgreich eingesetzt. Patienten, die jedoch eine Resistenz gegen das Zytostatikum entwickeln, brauchen dringend alternative Therapie-Optionen. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) konnten nun einen der Cisplatin-Resistenz bei Hodenkrebs zugrundeliegenden Mechanismus aufklären. Mittels der CRISPR-Genschere identifizierten sie das Gen NAE1 als deren Treiber. Eine Hemmung dieses Resistenzvermittlers durch Zugabe des NAE1 Inhibitors MLN4924 stellt nicht nur die Wirkung von Cisplatin wieder her, sondern hat zusätzlich einen abtötenden Effekt auf die Tumorzellen. Die Studienergebnisse sind jetzt im British Journal of Cancer publiziert.
Hodenkrebs, fachsprachlich auch Testikuläre Keimzelltumore (TGCT) genannt, ist die häufigste Krebsart bei jungen Männern. Bei einer Behandlung mit Cisplatin wachsen die Tumorzellen nicht mehr und sterben ab. Denn das Zytostatikum bewirkt Schäden an der DNA, dem Träger der Erbinformation, und hält so den Zellzyklus an. „Es wird das Alarmsignal gesendet ‘Achtung, reparieren, nicht weiter teilen’. Dazu benötigt die Zelle unter anderem sogenannte Tumor-Supressorgene, die genau bei solchen Schäden auf die Bremse treten und das Zellwachstum erst wieder freigeben, wenn diese behoben sind“, sagt Prof. Hubert Schorle vom Institut für Pathologie am UKB. Die Heilungschancen durch diese Art der Chemotherapie sind bei Hodenkrebs außergewöhnlich hoch. Jedoch entwickelt der Tumor bei einigen Patienten eine Cisplatin-Resistenz, die mit einer verringerten Überlebensrate verbunden ist.
Überaktives Gen NAE1 hebt die Zellteilungs-Bremse auf
Um den Ursachen der Cisplatin-Resistenz bei Hodenkrebs auf den Grund zu gehen, nutzte das Bonner Forschungs-Team die CRISPR-Genschere. Sie aktivierten damit bei Hodenkrebs-Zellen jedes Gen einmal. Danach behandelten sie die gentechnisch veränderte Zellkultur mit Cisplatin und machten diejenigen Zellen aus, die überlebt hatten und bei denen folglich das Zytostatikum nicht mehr wirkt. „Durch Analyse der DNA dieser Zellen, fanden wir heraus, wo die Genschere aktiv war, und konnten die für die Cisplatin-Resistenz verantwortlichen Gene identifizieren. Neben Genen, die bereits für Cisplatin Resistenz bekannt sind, haben wir zu unserer Überraschung das Gen NAE1, den Regulator der Neddylierungs-Kaskade, gefunden“, sagt Erstautor Kai Funke, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Schorle.
Eine Körperzelle muss in der Lage sein, die Art und Menge an verschiedenen Proteinen genau zu kontrollieren. Neben der Regulation der Proteinproduktion ist auch die Kontrolle über den gezielten Abbau von Proteinen wichtig. Die Neddylierungs-Kaskade markiert dabei die zum Abbau bestimmten Proteine. „Es scheint so, als wären Tumor-Suppressorproteine, die als Bremse für das Zellwachstum bei DNA-Schäden fungieren, ein wichtiges Ziel der Neddylierung. Entsprechend werden sie verstärkt abgebaut und deren Bremswirkung aufgehoben, wenn die Neddylierungs-Kaskade aufgrund des hochregulierten Gens NAE1 überaktiv ist“, erklärt Prof. Schorle, der auch Mitglied im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Leben und Gesundheit“ der Universität Bonn ist.
Blockade der Neddylierung erhöht Cisplatin-Sensitivität von Hodenkeimzelltumoren
Im Gegenzug führt eine Hemmung der Neddylierungs-Kaskade zu einer Anhäufung der Suppressorproteine und damit einhergehend zu einem Stopp der Zellteilung. Bei Zugabe des NAE1-Inhibitors MLN4924 beobachteten die Bonner Forschenden daher in Cisplatin-resistenten Hodenkrebs-Zellen eine Re-Sensibilisierung gegenüber dem Zytostatikum. Dass Bindegewebszellen durch die Behandlung nicht beeinträchtigt wurden, lässt hoffen, dass es bei Anwendung nur schwache Nebenwirkungen geben könnte. Somit unterstreichen die Bonner Forschenden den additiven Effekt einer NAE1-Hemmung durch MLN4924 in Kombination mit Cisplatin als eine neue Behandlungsoption bei Hodenkrebs. „Wir beschreiben hier zum ersten Mal die Neddylierung als therapeutischen Angriffspunkt bei Testikulären Keimzelltumoren. Hemmung der Neddylierung wird bereits bei anderen Tumorarten in klinischen Studien untersucht. So zeigt sich zudem beim Pankreaskarzinom eine additive Wirkung von MLN4924 mit Cisplatin“, sagt Prof. Schorle.
Publikation:
Kai Funke et al.; Genome-scale CRISPR screen reveals neddylation to contribute to cisplatin resistance of testicular germ cell tumors; British Journal of Cancer; DOI: https://doi.org/10.1038/s41416-023-02247-5
Bildmaterial:
Bildunterschrift:
Genschere findet Angriffspunkt für Hodenkrebs-Therapie:
(v. li.) Kai Funke und Prof. Hubert Schorle decken den Beitrag der Neddylierung zur Cisplatin-Resistenz bei Hodenkeimzelltumoren auf.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn / Rolf Müller
Bildunterschrift:
Kultur von Hodenkeimzelltumor-Zellen unter Cisplatin Behandlung am Tag 28:
Während die Zellen links fast alle abgestorben sind, wachsen einzelne Zellen in der rechten, mit der Genschere behandelten Kultur auch unter Cisplatin und füllen schließlich fast die ganze die Petrischale.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn / Kai Funke
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. rer. nat. Hubert Schorle
Leiter der Abteilung Entwicklungspathologie
Institut für Pathologie
Universitätsklinikum Bonn
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Pressekontakt:
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stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
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E-Mail: inka.vaeth@ukbonn.de
Das Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Bonn ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute am Universitätsklinikum zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller bösartigen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. 2018 wurde aus dem seit 2007 bestehenden CIO Köln Bonn mit den universitären Krebszentren aus Aachen, Köln und Düsseldorf das „Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf“ gegründet. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.
Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr etwa 500.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking sowie in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW und weist den dritthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf.