Mehr Patientenorientierung bei der Vollnarkose
15.02.2024, 18:00 Uhr
Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn über Fortschritte in der Anästhesie vom Säugling bis zum Senior
Bonn, 8. Februar – Im Rahmen des regelmäßig stattfindenden Patientenkolloquiums „Uni-Medizin für Sie – Mitten im Leben“ lädt das Universitätsklinikum Bonn (UKB) in Kooperation mit dem General-Anzeiger Bonn zu einem Informationsabend ein. Unter dem Motto „Warum muss ich nüchtern bleiben bei Operationen? – Fortschritte in der Anästhesie vom Säugling bis zum Senior“ geben Prof. Mark Coburn und Prof. Ehrenfried Schindler von der Klinik für Anästhesiologie & Operative Intensivmedizin des UKB einen Überblick über die moderne Anästhesie und legen dabei einen Fokus auf den Wandel des Nüchternheitsgebots. Die kostenlose Veranstaltung findet am Donnerstag, 15. Februar, ab 18 Uhr als reine Präsenz-Veranstaltung im Hörsaal des Biomedizinischen Zentrums (BMZ) I, Gebäude B 13, statt.
Viele diagnostische, therapeutische sowie chirurgische Maßnahmen sind erst durch eine vollständige Ausschaltung der Schmerz- und Berührungsempfindung mittels Vollnarkose möglich. Heutzutage ist eine Anästhesie dabei besonders schonend und sicher, da die Medikamente dank des stetigen medizinischen Fortschritts abhängig von der Art des Eingriffes sowie der Konstitution und der Krankengeschichte des Patienten exakt dosiert werden können. Dennoch ist der Narkoseprozess für manche Patientengruppen – vor allem für Neugeborene, Säuglinge, aber auch ältere Patientinnen und Patienten – aufgrund des Nüchternheitsgebots auch heute noch belastend.
Belastung durch lange Nüchternzeiten vor Operationen
„In vielen deutschen Kliniken wird oftmals noch an starren Nüchternheitsgrenzen vor chirurgischen Eingriffen festgehalten. Doch lange Nüchternheit und der damit einhergehende Flüssigkeitsmangel können durchaus negative Effekte bei den Patientinnen und Patienten nach sich ziehen und deren Wohlbefinden beeinträchtigen,“ so Prof. Mark Coburn, Direktor der Klinik für Anästhesiologie & Operative Intensivmedizin des UKB. „Bei hochbetagten Patientinnen und Patienten kann ein Flüssigkeitsmangel besonders gefährlich sein und Verwirrtheitszustände nach operativen Eingriffen begünstigen. Deshalb empfehlen wir am UKB ein differenzierteres Vorgehen bei der als notwendig erachteten Nüchternzeit, damit diese so kurz wie individuell möglich gehalten werden kann“, führt der Experte weiter aus.
Das Gebot der Nüchternheit gilt seit Beginn der modernen Chirurgie. Nahezu 80 Jahre hieß der Grundsatz deshalb: bis sechs Stunden vor der Operation/Diagnostik ist keine feste Nahrung und bis zwei Stunden vorher nur klare Flüssigkeit erlaubt. „Die Empfehlungen zur präoperativen Nüchternheit gehen auf die Sorge vor Erbrechen bei der Narkoseeinleitung zurück – hierbei handelt es sich um eine gefürchtete anästhesiologische Komplikation,. Doch auch wenn prinzipiell jeder nichtnüchterne Patient ein erhöhtes Risiko für Erbrechen hat, sollten im Narkoseprozess Faktoren wie die Verbesserung der Situation vor, während und nach der Operation, aber auch psychologische Einflüsse auf die Patientinnen und Patienten nicht außer Acht gelassen werden,“ erläutert Prof. Coburn.
Weniger Verbotscharakter für Kinder – Ermutigung zum Essen und Trinken
„Gerade kleine Kinder sind aufgrund ihrer höheren Stoffwechselrate auf regelmäßige Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr angewiesen. Lange Nüchternzeiten vor einer Narkose führen bei Kindern zu Befindlichkeitsstörungen, Stress und schlechter Kooperation, aber können bei der Narkoseeinleitung auch Blutdruckabfälle verursachen.“ sagt Prof. Ehrenfried Schindler, Sektionsleiter der Kinderanästhesiologie der Klinik für Anästhesiologie & Operative Intensivmedizin am UKB.
Im Jahr 2018 konnten unter Mitwirkung von Prof. Schindler die Grenzen für die Nüchternheit für Kinder deutlich reduziert werden. Das UKB hatte als eine der ersten Unikliniken in Deutschland diese verkürzten Nüchternzeiten im Jahr 2019 umgesetzt. 2022 wurden solche Empfehlungen auch in einer neuen europäischen Leitlinie zu perioperativen Nüchternzeiten bei Kindern und Jugendlichen festgehalten. „In der überarbeiteten Leitlinie ist beispielsweise auf Basis vorliegender Studien und der klinischen Erfahrung festgehalten worden, dass kleinen Kindern bis vier Stunden vor Narkoseeinleitung eine kleine, leichte Mahlzeit – beispielsweise eine Scheibe Toast mit Marmelade – erlaubt sein sollte.“ erklärt der Kinderanästhesist. „Auch nach einer Operation sollten Kinder frühzeitig zu einer Flüssigkeitsaufnahme ermuntert werden – ein Wassereis im Anschluss an eine Operation ersetzt so manches Medikament und kann zu einem besseren Wohlbefinden, einem geringeren Schmerzmittelbedarf sowie weniger Übelkeit und Erbrechen führen,“ so Schindler.
Kürzere Nüchternzeiten, mehr Patientenorientierung
Mehr über den Wandel des Gebots der Nüchternheit bei medizinisch notwendigen Vollnarkosen berichten die beiden UKB-Experten im Rahmen der Informationsveranstaltung.
Nach den Vorträgen besteht die Gelegenheit, Fragen im Auditorium an die UKB-Referenten zu stellen. Fragen können gerne vorab auch an redaktion@ukbonn.de geschickt werden.
Bildmaterial:
Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn am 15. Februar 2024:
(v. li). Prof. Ehrenfried Schindler und Prof. Mark Coburn sprechen über die Fortschritte in der Anästhesie bei verschiedenen Patientengruppen wie Säuglingen, Kleinkindern und älteren Patientinnen und Patienten.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Rolf Müller
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Zum Universitätsklinikum Bonn: Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr etwa 500.000 Patient*innen betreut, es sind ca. 9.000 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,6 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr 550 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking sowie in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW und weist den dritthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB 2022 und 2023 als Deutschland begehrtesten Arbeitgeber und Ausbildungs-Champion unter den öffentlichen Krankenhäusern in Deutschland ausgezeichnet.