UKB NewsRoom Header
VERFASST VONUKB Newsroom

KI verbessert Bildgebung im Gehirn

Neue Studie von Bonner Forschenden optimiert Traktographie für chirurgische Eingriffe

Bonn, 10. Februar – Wie lassen sich Nervenbahnen im Gehirn sichtbar machen, um komplexe Operationen besser zu planen? Ein Forschungsteam des Lamarr-Instituts und der Universität Bonn hat gemeinsam mit der Translational Neuroimaging Group an den Kliniken für Neuroradiologie und Epileptologie des Universitätsklinikums Bonn (UKB) eine KI-gestützte Methode untersucht, die diese Rekonstruktionen präziser macht. Die Ergebnisse der Studie, die jetzt in NeuroImage: Clinical veröffentlicht wurden, könnten langfristig dazu beitragen, neurochirurgische Eingriffe sicherer zu gestalten.

Was ist Traktographie – und warum ist sie so wichtig?

Das Gehirn besteht aus einem hochkomplexen Netzwerk aus Nervenzellen, die über feinste Leitungsbahnen – sogenannte Nervenfasern oder Trakte – miteinander verbunden sind. Diese Verbindungen sind entscheidend für Bewegung, Sprache, Denken und viele andere Funktionen. Um solche Strukturen sichtbar zu machen, nutzen Forschende die Traktographie, ein bildgebendes Verfahren, das aus speziellen MRT-Scans berechnet, wie die Nervenbahnen verlaufen. Diese Informationen sind besonders wichtig für die Planung von Gehirnoperationen, etwa bei Epilepsiepatient*innen, die sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen müssen.

Bisherige Traktographie-Methoden basieren auf mathematischen Modellen, die aus den MRT-Daten ableiten, wo sich Nervenbahnen befinden. Allerdings gibt es dabei oft Unsicherheiten – vor allem, wenn das Gehirn durch eine Krankheit oder eine Operation verändert wurde. Hier setzen moderne KI-Methoden an: Mit maschinellem Lernen kann das System Muster erkennen und auf dieser Basis genauere Rekonstruktionen erstellen.

KI-gestützte Traktographie zeigt Potenzial – aber auch Herausforderungen

In der aktuellen Studie testeten die Forschenden eine weit verbreitete KI-Methode namens TractSeg, die ursprünglich auf gesunden Gehirnen trainiert wurde. Das Team untersuchte, ob sie auch bei Epilepsiepatient*innen funktioniert, die sich einer Hemisphärotomie unterzogen haben – einer Operation, bei der die Verbindung zwischen den beiden Hirnhälften chirurgisch getrennt wird.

Die Ergebnisse zeigten, dass TractSeg in vielen Fällen gut generalisiert, aber auch unerwartete Fehler produziert: Es rekonstruierte fälschlicherweise Leitungsbahnen, die aufgrund der Operation gar nicht mehr existieren dürften – ein Phänomen, das als „Halluzination“ bezeichnet wird. Gleichzeitig blieben einige tatsächlich noch vorhandene Nervenbahnen unvollständig oder fehlten ganz in der Darstellung.

Neuer Hybrid-Ansatz für präzisere Rekonstruktionen

Um diese Probleme zu lösen, entwickelte das Team eine neue Hybrid-Methode, die die Vorteile von KI mit der Datentreue traditioneller Verfahren kombiniert. Dadurch stellt die Methode sicher, dass nur solche Nervenverbindungen rekonstruiert werden, die wirklich vorhanden sind. Das Ergebnis: keine Halluzinationen mehr, eine bessere Erfassung erhaltener Bahnen und insgesamt genauere Rekonstruktionen – auch bei gesunden Gehirnen.

Prof. Dr. Thomas Schultz, Principal Investigator in den Life Sciences am Lamarr-Institut, Professor am Institut für Informatik der Universität Bonn, betont die Bedeutung dieser Arbeit: Unsere Studie zeigt sowohl das Potenzial als auch die Grenzen KI-gestützter Traktographie im klinischen Einsatz. Die Kombination mit traditionellen Methoden bietet eine vielversprechende Lösung für präzisere Rekonstruktionen, insbesondere bei Daten von Patienten*innen mit pathologischen Veränderungen. Unser Ziel ist es, diese Ansätze weiterzuentwickeln, um sie langfristig für die Neurochirurgie nutzbar zu machen.“

Gefördert durch einen TRA-Forschungspreis der Universität Bonn

Diese Publikation ist das Ergebnis einer durch den Forschungspreis „Modelling for Life and Health“ der Transdisziplinären Forschungsbereiche (TRA) „Modelling“ und „Life & Health“ der Universität Bonn geförderten Zusammenarbeit mit PD Dr. Theodor Rüber, Principal Investigator der Translational Neuroimaging Group und Facharzt für Neurologie an der Klinik für Neuroradiologie des UKB.

Bei den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) der Universität Bonn handelt es sich um Innovations- und Explorationsräume in Forschung und Lehre, in denen Forschende über Fächer- und Fakultätsgrenzen hinweg und auch mit Partnern außerhalb der Wissenschaft an zentralen wissenschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Zukunftsthemen arbeiten, um Lösungen und Erkenntnisse zu generieren, die keiner von ihnen alleine hätte erreichen können. Diese erste gemeinsame Veröffentlichung zeigt, wie der Austausch zwischen KI-Forschung und Neurowissenschaften dazu beitragen kann, medizinische Verfahren zu verbessern – mit direktem Nutzen für Patient*innen. Darüber hinaus wurde das Projekt durch das Projekt BNTrAinee der Universität Bonn sowie das Neuro-aCSis Bonn Neuroscience Clinician Scientist Program gefördert.

Rekonstruktion des Fasciculus longitudinalis inferior:
Die Abbildung zeigt eine Rekonstruktion des Fasciculus longitudinalis inferior (ein Fasertrakt des Gehirns), links mit einem herkömmlichen KI-Verfahren, rechts mit dem neuen Hybridansatz. Der Hybridansatz ermöglicht eine vollständigere Rekonstruktion. Zugleich spart er Läsionen wie die dunkle Region in der Detailansicht präziser aus.

© Grün, Bauer, Rüber, Schultz: Deep Learning Based Tractography With TractSeg in Patients With Hemispherotomy: Evaluation and Refinement, NeuroImage: Clinical. https://doi.org/10.1016/j.nicl.2025.103738

Alle Rechte vorbehalten!

Publikation: Grün, Bauer, Rüber, Schultz: Deep Learning Based Tractography With TractSeg in Patients With Hemispherotomy: Evaluation and Refinement; NeuroImage: Clinical; DOI: https://doi.org/10.1016/j.nicl.2025.103738  

Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Thomas Schultz
Institut für Informatik
Universität Bonn
Principal Investigator Life Sciences, Lamarr-Institut
E- Mail: schultz@cs.uni-bonn.de

PD Dr. Theodor Rüber
Klinik für Neuroradiologie
Universitätsklinikum Bonn (UKB)
TRA „Life & Health“, Universität Bonn
E-Mail: theodor.rueber@ukbonn.de

Pressekontakt:
Dr. Inka Väth
stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: (+49) 228 287-10596
E-Mail: inka.vaeth@ukbonn.de

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB finden pro Jahr etwa 500.000 Behandlungen von Patient*innen statt, es sind ca. 9.500 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,8 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr 550 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, hatte in 2023 in der Forschung über 100 Mio. Drittmittel und weist den zweithöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB mit Platz 1 unter den Uniklinika in der Kategorie „Deutschlands Ausbildungs-Champions 2024“ ausgezeichnet.

AI Enhances Brain Imaging (Eng. PDF-Download)

Skip to content