Deutschlandweite Studie zur App-unterstützten Depressionsbehandlung am Universitätsklinikum Bonn gestartet
Online-Teilnahme für Betroffene jetzt möglich
Bonn, 19. August 2024 – Unterschiedliche Studien zeigen, dass jeder fünfte bis sechste Erwachsene in seinem Leben mindestens einmal an einer Depression erkrankt, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen kann. Um neue, wirksame und benutzerfreundliche Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, startet am Universitätsklinikum Bonn (UKB) nun eine Studie zur Nutzung einer App zur Unterstützung der Depressionsbehandlung. Diese App, die gemeinsam mit der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn entwickelt wurde, soll verschiedene wissenschaftlich fundierte Therapiemodule digital verfügbar machen und den Patient*innen so eine flexible und kontinuierliche Unterstützung bieten.
Die Depression ist eine schwerwiegende Erkrankung, die häufig zunächst mit Medikamenten oder Psychotherapie behandelt wird. Allerdings zeigen Medikamente oft unerwünschte Nebenwirkungen, und eine Psychotherapie kann zudem aufgrund langer Wartezeit auf einen Therapieplatz oft erst verzögert beginnen. Daher besteht ein großer Bedarf an weiteren Therapieansätzen, die effektiv, nebenwirkungsarm und kostengünstig sind. Digitale Technologien eröffnen hier neue Möglichkeiten: Bereits jetzt können sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen auf Rezept verschrieben werden, die nachweislich depressive Symptome lindern können. Allerdings fehlen noch umfassende wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit spezifischer Inhalte und zur Eignung für unterschiedliche Patient*innengruppen. Diese sollen nun in der neuen Studie der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKB unter Leitung von Prof. Dr. Alexandra Philipsen, die früh auf die Entwicklung patientenzentrierter Anwendungen im Bereich Medizintechnologie in der Klinik gesetzt hat, untersucht werden.
Dazu haben die Forschenden am UKB in Kooperation mit der Medizinzischen Fakultät der Universität Bonn eine neue App entwickelt, die in mehreren Modulen therapeutische Inhalte anbietet, welche auf Techniken der Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologie basieren. Im Gegensatz zu vielen frei verfügbaren Online-Apps basieren diese Inhalte auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und wurden von klinischen Expert*innen entwickelt. Die App enthält sechs thematisch abgegrenzte Module: Psychoedukation und Krankheitsverständnis, Aktivitätsplanung und Verhaltensaktivierung, Entspannungs- und Stressregulationstechniken, Ressourcenaktivierung und Resilienzaufbau, Stabilisierung des Selbstwertgefühls sowie Grübelkontrolle.
Im Verlauf werden die Studienteilnehmer*innen zufällig einem dieser Module zugeteilt, welche Text-, Bild- und Audioinhalte sowie Aufgaben zur Interaktion beinhalten. Diese werden von den Teilnehmenden über einen Zeitraum von vier Wochen selbstständig bearbeitet. Dabei soll die App unter anderem dabei helfen, ein tieferes Verständnis für die Erkrankung zu entwickeln, das Selbstwertgefühl zu stärken und bei wahrgenommenem Stress effektiver zu entspannen.
„Mit der Studie wollen wir insbesondere herausfinden, wie ansprechend das digitale Format für Patientinnen und Patienten ist und wie es angenommen wird. Die Ergebnisse können uns helfen, besser einzuschätzen, inwiefern digitale aufbereitete Therapiematerialien zukünftig als ergänzendes Angebot zu einer klassischen Psychotherapie geeignet sind und welche Inhalte sich als besonders wirksam erweisen“, so Dr. Niclas Braun, Forschungsgruppenleiter und psychologischer Psychotherapeut an der Klinik, der auch an der Universität Bonn forscht.
Die App bietet unmittelbare Vorteile für Patient*innen, indem sie lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz überbrückt und sofortigen Zugang zu therapeutischen Inhalten gewährt. Als ergänzende Unterstützung zur laufenden Therapie kann die App helfen, Behandlungslücken zu schließen und die Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten. Das mobile Format ermöglicht es, die Therapieinhalte jederzeit und überall zu nutzen, was besonders in stressigen oder kritischen Momenten hilfreich sein kann. Diese Flexibilität und die direkte Verfügbarkeit machen den Ansatz vielversprechend und können zur Effizienz in der Behandlung psychischer Erkrankungen beitragen.
Studienteilnahme ab sofort möglich
Gesucht werden Erwachsene mit Depression im Alter von 18 bis 70 Jahren, die bereits eine Behandlung begonnen haben (bspw. Einnahme von Medikamenten oder eine Psychotherapie). Die Teilnahme erfordert drei Online-Termine zur Erfassung der Symptomatik und relevanter Daten. Nach dem ersten Termin werden die Teilnehmenden zufällig einem App-Modul oder der Kontrollgruppe zugeteilt.
Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung zu der Studie gibt es online unter: http://www.ukbonn.de/onlinekurs-studie
Förderung
Die Studie wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und ITEA unterstützt.
Bildmaterial:
Bildunterschrift: Darstellung der in der Studie verwendeten App
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB) / erstellt mit storyset.com und Canva
Pressekontakt:
Jana Schäfer
Stellvertretende Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: (+49) 228 287-19891
E-Mail: jana.schaefer2@ukbonn.de
Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB finden pro Jahr etwa 500.000 Behandlungen von Patient*innen statt, es sind ca. 9.500 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,8 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr 550 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, hatte in 2023 in der Forschung über 100 Mio. Drittmittel und weist den zweithöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB mit Platz 1 unter den Uniklinika in der Kategorie „Deutschlands Ausbildungs-Champions 2024“ ausgezeichnet.