Forscher der Universität Bonn identifizieren bei einem wichtigen Enzym eine unerwartete Doppelfunktion
Ein internationales Forscherteam hat in den Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, eine unerwartete Entdeckung gemacht: Ein Enzym, das dort für die Vervielfältigung der DNA zuständig ist, kann zusätzlich defekte DNA abbauen. Diese Doppelfunktion lässt sich eventuell für die Therapie bestimmter Formen der Epilepsie nutzen. An der Studie unter Federführung der Universität Bonn waren auch Forscher der Universitäten Cambridge und Köln maßgeblich beteiligt. Die Ergebnisse erscheinen nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications.
Mitochondrien sind Kraftwerke im Miniformat: Sie erzeugen Energie und sorgen so dafür, dass die Zellen ihre Funktionen erfüllen können. Die meisten Zellen enthalten zahlreiche Mitochondrien – manche sogar mehrere tausend. Die Zellkraftwerke verfügen über eine eigene DNA. In ihr ist die Bauanleitung verschiedener Enzyme gespeichert, die für die Energiegewinnung benötigt werden. Mitunter kann es zu Mutationen dieser DNA kommen. Die Mitochondrien können dann unter Umständen keine Energie mehr erzeugen. Je nach Zelltyp, in dem sie aktiv sind, können die Auswirkungen gravierend sein. In den Nervenzellen des Gehirns können mitochondriale Mutationen zum Beispiel Epilepsien auslösen.
Wissenschaftler suchen daher nach Methoden, die fehlerhafte DNA gezielt zu zerstören. Die verbliebenen intakten DNA-Moleküle könnten sich dann durch Teilung vermehren und in die Bresche springen. „Das ist ein neuer therapeutischer Ansatz, der im Moment erprobt wird“, erklärt Prof. Dr. Wolfram Kunz vom Institut für Experimentelle Epilepsie und Kognitionsforschung der Universität Bonn.
Zuerst die Schere, dann der Schredder
Die Forscher setzen dabei auf ein trickreiches Verfahren: Sie schleusen eine molekulare Schere in die Zellkraftwerke ein, die mutierte DNA erkennen und zerschneiden kann. Normalerweise ist mitochondriale DNA ringförmig. Durch den Schnitt wird der Ring jedoch geöffnet, und es entsteht eine Art Faden. Dieser wird dann in einem zweiten Schritt vollständig abgebaut. „Welche Komponenten für den Abbau verantwortlich sind, war allerdings bislang unbekannt“, betont Kunz.
Die neue Studie gibt darauf nun eine etwas überraschende Antwort. Wenn sich ein Mitochondrium teilt, wird von seiner DNA eine Abschrift erstellt, die dann das neue Mitochondrium erhält. Das Enzym, das diese Kopie erstellt, heißt DNA-Polymerase Gamma. „Wir konnten zeigen, dass diese Polymerase nur bei ringförmiger DNA als Kopierer fungiert“, erklärt Kunz: „Wenn sie auf fadenförmige DNA stößt, zerlegt sie diese dagegen – sie wird also zum Schredder.“
Biologische Backspace-Taste
Die DNA-Polymerase Gamma verfügt nämlich über eine Korrekturlese-Funktion – eine Art biologische Backspace-Taste: Wenn die Polymerase bei der Abschrift einen Fehler macht und bildlich gesprochen einen falschen Buchstaben einbaut, merkt sie das direkt und entfernt ihn wieder. Dieser Mechanismus wird bei fadenförmiger DNA gewissermaßen zweckentfremdet: Die Polymerase nutzt ihn dann, um den Erbgut-Faden in Zusammenspiel mit zwei weiteren Enzymen restlos abzubauen.
Publikation: Viktoriya Peeva, Daniel Blei, Genevieve Trombly, Sarah Corsi, Maciej Szukszto, Pedro Rebelo-Guiomar, Payam A. Gammage, Alexei P. Kudin, Christian Becker, Janine Altmüller, Michal Minczuk, Gábor Zsurka & Wolfram S. Kunz: Linear mitochondrial DNA is rapidly degraded by components of the replication machinery; Nature Communications; DOI: 10.1038/s41467-018-04131-wKontakt:
Prof. Dr. Wolfram S. Kunz
Institut für Experimentelle Epilepsie und Kognitionsforschung
Universität Bonn
Tel. 0228/6885290
E-Mail: Wolfram.Kunz@ukbonn.de
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