Frühjahrserwachen: Wie der Frühling unseren Schlaf beeinflusst – Expertenrat für besseren Schlaf
Interview mit PD Dr. Michael Sommerauer, Oberarzt der Neurologie und Leiter des Schlaflabors am Universitätsklinikum Bonn
Bonn, 1. April 2025: Frühling bedeutet für viele von uns mehr Licht, längere Tage und die Hoffnung auf wärmeres Wetter. Doch wie beeinflusst diese Jahreszeit tatsächlich unseren Schlaf und unsere innere Uhr? PD Dr. Michael Sommerauer vom Universitätsklinikum Bonn gibt wichtige Tipps für mehr Schlafhygiene.
Beeinflusst der Frühling tatsächlich unsere Schlafqualität?
Dr. Sommerauer: Ja, definitiv! Im Frühling gibt es mehr Licht – es wird früher hell und bleibt länger hell. Das hat einen Einfluss auf unsere innere Uhr, die stark auf Licht ausgerichtet ist. Diese innere Uhr ist jedoch nicht immer optimal auf den 24-Stunden-Rhythmus eingestellt, was bedeutet, dass wir auf äußere Faktoren angewiesen sind, um unseren Schlafrhythmus zu steuern. Zum Beispiel hat die kürzlich erfolgte Zeitumstellung viele von uns aus dem gewohnten Takt gebracht – das fühlt sich dann oft wie ein Jetlag an. Hinzu kommt, dass die Temperatur sich verändert. Diese Schwankungen können ebenfalls unsere innere Rhythmik durcheinanderbringen.
Gibt es bestimmte Temperaturen, die unsere Schlafqualität verbessern?
Dr. Sommerauer: Ja, tatsächlich. Eine optimale Schlaftemperatur liegt zwischen 16 und 19 Grad Celsius. Im Winter ist es einfacher, diese Temperatur zu erreichen, da es draußen kühler ist. Im Frühling kann es manchmal eine Herausforderung sein, aber wichtig ist, dass jeder seine eigene Wohlfühltemperatur findet. Und da hilft es, auf den eigenen Körper zu hören.
Wie steht es denn um den Einfluss von mehr Licht? Bringt das nur Vorteile oder auch Nachteile?
Dr. Sommerauer: Es gibt beides. Licht am Morgen hilft uns, wach zu werden und unseren inneren Taktgeber zu aktivieren. Im Frühling haben wir das Glück, dass die Sonne uns dabei unterstützt, morgens in die Gänge zu kommen. Doch die längeren Tage haben auch ihre Schattenseiten: Abends bleibt es länger hell, was unsere innere Uhr verschieben kann. Dunkelheit hingegen fördert die Melatoninproduktion und hilft uns, besser zu schlafen. Aber auch das können wir beeinflussen. Wenn es abends länger hell bleibt, können wir zu Hause die Räume abdunkeln, um den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus zu unterstützen.
Wir sprechen immer wieder von der „inneren Uhr“. Was ist damit genau gemeint?
Dr. Sommerauer: Unsere innere Uhr, auch zirkadianer Rhythmus genannt, reguliert die körperlichen und geistigen Prozesse über einen Zeitraum von etwa 24 Stunden. Manche Menschen, wie etwa „Eulen“, fühlen sich abends besonders fit, während „Lerchen“ morgens eher aktiv sind. Bei manchen Menschen funktioniert dieser Rhythmus nicht richtig, zum Beispiel bei Menschen, die blind sind oder eine Störung im Gehirn haben. In solchen Fällen kann die Produktion von Melatonin durch Medikamente unterstützt werden. Für gesunde Menschen ist es jedoch sinnvoller, auf eine gute Schlafhygiene zu achten. Das bedeutet, sich morgens dem Licht auszusetzen und abends Licht zu vermeiden, insbesondere LED-Licht von Handys, Tablets oder Computern. Man sollte abends schwere Mahlzeiten und Alkohol vermeiden und das Schlafzimmer sollte dunkel, kühl und gut gelüftet sein.
Der Vitamin-D-Mangel ist nach dem Winter auch immer wieder Thema. Wie wichtig ist es, genug davon zu bekommen?
Dr. Sommerauer: Vitamin D ist für unseren Körper wichtig, insbesondere um den Schlaf-Wach-Rhythmus zu unterstützen. In der Übergangszeit, besonders im Frühjahr, ist es wichtig, auf genug Sonnenlichtexposition zu achten. Auch an bewölkten Tagen, wenn man sich draußen aufhält, bekommt man genug Licht, um den Vitamin-D-Spiegel zu erhöhen. Wenn man regelmäßig draußen ist, kann man in der Regel sicherstellen, dass der Vitamin-D-Spiegel ausreichend ist. Bei älteren Menschen klappt das nicht mehr so gut, sodass diese auch von einer zusätzlichen Vitamin-D-Gabe profitieren können.
Gibt es typische Symptome, die auftreten, wenn man nicht genug Licht bekommt?
Dr. Sommerauer: Ja, der Mangel an Licht kann vor allem psychologische und psychiatrische Symptome verstärken. Dazu gehören Schläfrigkeit, Erschöpfung, Reizbarkeit und auch depressive Anzeichen. Menschen haben oft das Gefühl, dass der Tag-Nacht-Rhythmus nicht mehr richtig funktioniert, und sie haben Schwierigkeiten, morgens in den Tag zu starten und abends zur Ruhe zu kommen. Das können Gründe für die sogenannte Winterdepression sein. Andersherum, wenn viele Leute wieder aktiver werden, kann der Frühling bei Menschen, die latent unter Depressionen leiden, aber auch diese Symptome verstärken.
Was würden Sie Büroangestellten raten, die tagsüber kaum draußen sind?
Dr. Sommerauer: Für Büromenschen ist es besonders wichtig, regelmäßige Pausen zu machen und so oft wie möglich ins Freie zu gehen. Auch wenn es in den Innenräumen durch den Frühling etwas heller ist, ist es im Vergleich zu draußen immer noch relativ dunkel. Daher sollte jede kleine Pause genutzt werden, um nach draußen zu gehen und das natürliche Licht aufzunehmen. Das hilft, die innere Uhr zu stabilisieren und das Wohlbefinden zu steigern.
Bildmaterial:
Bildunterschrift: PD Dr. Michael Sommerauer, Oberarzt und Leiter des neurologischen Schlaflabors am Zentrum für Neurologie der Uniklinik Bonn, ist ein führender Experte auf dem Gebiet der Schlaf-Wach-Störungen.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn/D. Siverina
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Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB finden pro Jahr etwa 500.000 Behandlungen von Patient*innen statt, es sind ca. 9.500 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,8 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr 550 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, hatte in 2023 in der Forschung über 100 Mio. Drittmittel und weist den zweithöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB mit Platz 1 unter den Uniklinika in der Kategorie „Deutschlands Ausbildungs-Champions 2024“ ausgezeichnet.