Genetische Ursachen bei Speiseröhrenkrebs
Forscher entschlüsseln unter Beteiligung der Uni Bonn neue Genvarianten bei Barrett-Ösophagus und -Karzinom
Wenn häufig Magensäure in die untere Speiseröhre aufsteigt, kann sich durch die Schädigung der Schleimhaut zunächst ein Barrett-Ösophagus und daraus ein Barrett-Karzinom entwickeln. Beide Erkrankungen haben in den Industrienationen stark zugenommen. Ein internationales Forscherteam entschlüsselte nun unter Mitwirkung der Universität Bonn insgesamt neun neue Genvarianten, die mit den Barrett-Krankheiten in Zusammenhang stehen. Daraus ergeben sich neuartige Einblicke in die Krankheitsursachen und Ansatzpunkte für eine bessere Diagnose. Die Ergebnisse werden nun im Fachjournal „Lancet Oncology“ vorgestellt.
Beim Barrett-Karzinom handelt es sich um einen Speiseröhrenkrebs, der sich meist als Folge einer chronischen Refluxerkrankung entwickelt. Dabei steigt immer wieder Säure aus dem Magen auf und greift die Schleimhaut in der unteren Speiseröhre an. In der Folge kann es zu Entzündungen und auch zur Umwandlung der Speiseröhrenwandzellen von einer plattenförmigen Struktur in eine Zylinderform kommen. Mediziner sprechen dann von einem „Barrett-Ösophagus“, aus dem sich schließlich Tumore entwickeln können. „Das Barrett-Karzinom hat in den Industrieländern in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen“, sagt Dr. Johannes Schumacher vom Institut für Humangenetik der Universität Bonn. Ursache sei eine Häufung ernährungsbedingter Refluxerkrankungen.
Studien haben auch genetische Risikofaktoren zutage gefördert: Insgesamt acht Verdachtsregionen waren bislang bekannt, die mit dem Auftreten des Barrett-Ösophagus und -Karzinoms in Zusammenhang stehen. Ein internationales Forscherkonsortium aus dem Vereinigten Königreich, den USA, Kanada und Deutschland um Dr. Puya Gharahkhani vom QIMR Berghofer Medical Research Institute in Brisbane (Australien) hat nun bei einer groß angelegten Untersuchung neun weitere Verdachtsregionen entschlüsselt. „Damit hat sich die Anzahl der nun bekannten Risikovarianten mehr als verdoppelt“, sagt Dr. Schumacher von der Universität Bonn, der am Projekt beteiligt war.
Große Studie mit mehr als 10.000 Patienten
Das internationale Team untersuchte anhand von Blutproben das Erbgut von 6.167 Barrett-Ösophagus- und 4.112 Barrett-Karzinom-Patienten. Mit modernen Hochdurchsatzverfahren entschlüsselten die Wissenschaftler pro Patient mehr als zehn Millionen Genvarianten und verglichen die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe aus 17.159 Menschen. Von den neun Verdachtsregionen, die nun bei den Erkrankten mit Barrett-Ösophagus oder Barrett-Karzinomen entdeckt wurden, steht eine auch mit Mukoviszidose in Zusammenhang. Bei dieser Krankheit sind die Körpersekrete sehr zähflüssig, was zu Funktionsstörungen der Lunge und des Verdauungstrakts führt. „Mehr als 80 Prozent der Mukoviszidose-Patienten leidet unter Reflux“, berichtet der Humangenetiker der Universität Bonn. Die genetischen Veränderungen bei Barrett-Erkrankungen und Mukoviszidose deuten möglicherweise auf veränderte chemische Bedingungen im Magensaft der Betroffenen hin.
Ansatzpunkt für bessere Barrett-Karzinom-Prognosen
Bislang war es praktisch unmöglich abzuschätzen, in welchen Fällen sich aus einem Barrett-Ösophagus ein gefährliches Barrett-Karzinom entwickelt. „Wir haben nun erstmals eine Genvariante gefunden, die nur bei Barrett-Karzinom-Patienten vorkommt“, sagt Dr. Schumacher. Anhand dieser Abweichung im Erbgut lässt sich möglicherweise ein Patientenkreis eingrenzen, der sich häufiger Krebsuntersuchungen der Speiseröhre unterziehen sollte, damit die Entwicklung von Tumoren aus Vorstufen rechtzeitig erkannt wird. Allerdings ist diese Genvariante allein noch nicht aussagekräftig genug. Für eine zutreffende Prognose müssen die Wissenschaftler erst noch weitere Genvarianten entdecken, die nur beim Barrett-Karzinom vorkommen.
Publikation: Genome-wide association studies in oesophageal adenocarcinoma and Barrett’s oesophagus: a large-scale meta-analysis, “The Lancet Oncology”, DOI: 10.1016/S1470-2045(16)30240-6, Internet: http://dx.doi.org/10.1016/S1470-2045(16)30240-6 Kontakt für die Medien: Dr. Johannes Schumacher Institut für Humangenetik Universität Bonn Tel. 0228/28751028 E-Mail: johannes.schumacher@uni-bonn.de