Prof. Dr. med. Dirk Skowasch, Leiter der Sektion Pneumologie am UKB
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INTERVIEW mit Prof. Dr. med. Dirk Skowasch, Leiter der Sektion Pneumologie am UKB

Thema: Lunge – stark, sensibel, unterschätzt

Es gibt Organe, denen mehr Beachtung geschenkt wird. Das Herz, zum Beispiel. Die Lunge führt dagegen eher ein Schattendasein in unserer Wahrnehmung. Warum sind wir an der Lunge nicht großartig interessiert?

Sollten wir aber sein! Für uns ist die Lunge ein besonders wertvolles und ein wahrlich atemberaubendes Organ, das immer wieder unterschätzt wird, und mit dem der Nutzer oft nicht pfleglich genug umgeht. Das Leben geht schon einmal mit dem ersten Atemzug los. Zwar wiegt die Lunge nur ein Kilogramm, doch ist sie ein bioarchitektonisches Wunder. Aufgebaut ist die Lunge wie ein umgedrehter Baum – beginnend mit der Trachea, also der Luftröhre, die in die Luftkanäle, die sogenannten Bronchien, und schließlich die Lungenbläschen übergeht. Die Bronchien verzweigen sich bis zu 26 Mal wie die Äste eines Baums. In den ca. 300 Millionen Lungenbläschen findet dann der Austausch der Atemgase statt. Aneinandergereiht haben die Lungenbläschen bei einem gesunden Menschen die Größe eines Tennisplatzes und daher mehr Kontakt zur Umwelt und ihren Schadstoffen als alle anderen Organe.

Was passiert genau in der Lunge?

Die Lunge hat zwei wesentliche Aufgaben: Erstens nimmt sie Sauerstoff aus der Außenluft auf und leitet sie letztlich zu allen Zellen des menschlichen Körpers weiter, die den Sauerstoff zu ihrer Energiedeckung benötigen. Zweitens muss das Stoffwechselprodukt Kohlenstoffdioxid (CO2) aus den Zellen und Geweben abtransportiert und über die Lunge abgeatmet werden. Dazu bewegt die Lunge ca. 10.000 Liter Luft pro Tag herein und heraus über Luftröhre und Bronchien, um diesen Gasaustausch über die Lungenbläschen (Alveolen) zu bewältigen. Optimal koordiniert hinter dem Brustbein, zieht das Zwerchfell die Lungen nach oben und nach unten. Das Gehirn gibt dabei den Takt vor. Wir merken nicht einmal, dass wir atmen.

Wir merken aber schnell, wenn uns der Atem plötzlich schwerfällt. Was kann dahinterstecken?

Lungen- und Atemwegserkrankungen gehören zu den häufigsten und weiter zunehmenden Erkrankungen, allen voran die COPD, Lungenkrebs, Asthma bronchiale und Lungenentzündung. Bundesweit stellen diese die dritthäufigste Todesursache dar. Sie entstehen vor allem, weil durch den Kontakt mit der Umwelt Zigarettenrauch, andere Luftschadstoffe, Allergieauslöser sowie Bakterien, Viren und Pilze in die Lungen gelangen können. Daneben gibt es noch über 200 weitere, überwiegend seltenere Erkrankungen der Lunge. Für sehr viele – doch leider nicht für alle Lungenerkrankungen – gibt es derzeit innovative medikamentöse, aber auch interventionelle Therapien, die die Lebensqualität und die Prognose der Patienten deutlich verbessern können.

Chronic obstructive pulmonary disease – kurz COPD – ist mittlerweile zu einer Volkskrankheit geworden. Was ist das überhaupt?

Die COPD ist die chronische und meist auch fortschreitende, obstruktive Lungenerkrankung. Das heißt, dass aufgrund einer chronischen Entzündung die Atemwege dauerhaft verengt sind. Allein in Deutschland sind zum Beispiel 7 bis 8 Millionen Menschen davon betroffen. Anders ausgedrückt: Jeder achte Bürger über 40 Jahre hat eine COPD. Und noch eine aufrüttelnde Nachricht: Die COPD ist jetzt schon die vierthäufigste Todesursache weltweit. Die Hauptursache in über 90 Prozent der Fälle ist das Rauchen. Daher spricht man umgangssprachlich auch von Raucherhusten oder Raucherlunge. Trotzdem ist die COPD weitgehend unbekannt. Das mag unter anderem auch an dem sperrigen Akronym COPD liegen. Durch einen Lungenfunktionstest lässt sich diese Erkrankung jedoch einfach und früh diagnostizieren und mit effektiven Medikamenten und weiteren Maßnahmen noch gut behandeln. Am besten aber vermeidet man sie gänzlich – durch das Nichtrauchen.

Nun sind aber viele ehemalige Raucher auf E-Zigaretten und Tabak-Sticks umgestiegen. Weil die Alternativen vermeintlich weniger schädlich für die Gesundheit sind. Ist es so?

Die Werbung für E-Zigarette und Co verharmlost die Gefahren, die von diesen Produkten ausgehen. Außerdem gibt es momentan keine unabhängigen Langzeitstudien dazu. Die meisten Studien stammen von den Tabakkonzernen. Und es steckt viel Marketing dahinter: Ein schnöder Glimmstängel ist nicht mehr cool. Ein neues Lifestyle-Produkt muss her. E-Zigaretten sehen mittlerweile wie iPhones aus. Lungenschädlich sind sie trotzdem und obendrein hochgradig suchterzeugend. Daher sind sie und ähnliche Produkte nicht zu empfehlen und ihre Bewerbung sollte ebenso wie Zigarettenwerbung verboten werden.
In den USA gibt es bereits die ersten Todesfälle. Das ist ein gefährliches Zeug, denn man kann die Risiken gar nicht abschätzen. Und es ist völlig unbekannt, was die Zutatenliste der Liquids beinhaltet. Durch die verstärkte Nutzung der E-Zigaretten haben wir, Lungenärzte, derzeit mit einem völlig neuen klinischen Syndrom zu tun, das es vorher gar nicht gab.

Ungeklärt sind auch die Risiken, die vom Mikroplastik ausgehen. Wir nehmen die Partikeln nicht nur mit der Nahrung auf, sondern atmen sie mit der Luft ein. Wie gefährlich ist das für unsere Lungen?

Das Mikroplastik schwebt in unserer Atmosphäre und wird durch Regen und Schnee zum Boden transportiert. Auch die Meere sind voll davon. Ob diese Plastikteilchen Entzündung oder sogar Krebs in der Lunge begünstigen können, ist bislang nicht bewiesen. Bis diese Wissenslücken geschlossen sind, sollten wir achtsam sein und Schadstoffe vermeiden. Schließlich sind unsere Lungen geschaffen, um saubere Luft einzuatmen und nicht Mikroplastik.

Die Datenlage zum Feinstaub ist aber deutlich besser.

Ja, es wurde in mehreren Studien nachgewiesen, dass der Feinstaub Entzündungen im Körper hervorruft. Epidemiologisch geht man davon aus, dass in Deutschland jährlich 600.000 Lebensjahre durch den Feinstaub verloren gehen. Als Feinstaub gelten sehr kleine (<10 Mikrometer) und daher lungengängige Partikel, die natürlichen Ursprungs sein können, aber vor allem durch Industrie und Straßenverkehr entstehen. Dabei ist das individuelle Gesundheitsrisiko – im Vergleich zum Rauchen – relativ gering. Dem Feinstaub kann sich jedoch niemand entziehen.

Das klingt nicht gerade optimistisch. Wie kann man die Lungen fit halten?

Das Wichtigste ist: nicht rauchen! Auch nicht damit anfangen. Mit dem Rauchen aufzuhören, lohnt sich immer, selbst wenn zum Beispiel eine COPD schon bekannt ist. So kann das Fortschreiten der Erkrankung zumindest gestoppt werden. Auch die Bewegung – gerade bei Lungenkrankheiten – ist wichtig. Der Lungensport ist wenig belastend und gut an die Möglichkeiten der Patienten angepasst. Darüber hinaus ist eine gesunde Ernährung unerlässlich. Ein Übergewicht ist in keinem Fall empfehlenswert, weil das Zwerchfell sich schlecht ausdehnen kann, was die Atmung beeinträchtigt. Das Gegenteil, also ein Untergewicht, ist für COPD-Patienten ebenfalls gefährlich, weil dann keine Reserven mehr im Falle einer Verschlechterung vorhanden sind. Last but not least: Impfen. Eine Grippeschutz- und Pneumokokken-Impfung kann die Lungen schützen.

Pressekontakt:
Daria Siverina
stellv. Pressesprecherin am UKB
0228 287-14416
daria.siverina@ukbonn.de

Bildunterschrift:
Prof. Dr. med. Dirk Skowasch, Leiter der Sektion Pneumologie am UKB

Bildnachweis:
Universitätsklinikum Bonn (UKB)/R. Müller

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