Komplexe Herz-OP weltweit erstmals durchgeführt
15-Jährige mit angeborenem Herzfehler wird von Herz- und Kinderherzchirurgen des Universitätsklinikums Bonn operiert
Bonn, 29. März 2023 – Prof. Farhad Bakhtiary, Direktor der Klinik für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Bonn (UKB), und Prof. Boulos Asfour, Direktor der Abteilung für Kinderherzchirurgie des UKB, ist eine herzchirurgische Premiere gelungen. Gemeinsam haben sie weltweit erstmalig eine Re-Operation bei einer jungen Patientin mit einer Verengung der Hauptschlagader (Aorta) minimal-invasiv und voll-endoskopisch durchgeführt. Die Jugendliche war bereits als Säugling am Herzen operiert worden und hat den erneuten Eingriff erfolgreich überstanden.
Die 15-jährige Adea hat eine Trisomie 21 und wurde mit einem Herzfehler geboren, der als kompletter atrioventrikulärer Septumsdefekt (AVSD) bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine Fehlbildung der Scheidewand zwischen den Herzvorhöfen und den Herzkammern, die ca. drei Prozent aller angeborenen Herzfehler ausmacht. Etwa 50 Prozent der betroffenen Kinder haben auch das Down-Syndrom. Sowohl im Bereich der Vorhöfe, also der kleineren Herzhöhlen, als auch im Bereich der Herzkammern, so werden die größeren Herzhöhlen bezeichnet, war bei Adea ein Loch zu finden.
Erste OP im Säuglingsalter
Im Dezember 2008 wurde der angeborene Scheidewanddefekt des aus dem Kosovo stammenden Mädchens in Deutschland herzchirurgisch korrigiert. Adea war damals gerade einmal neun Monate alt. Das Loch wurde dabei mit einem Doppel-Patch, der als Flicken diente, geschlossen. 14 Jahre lang konnte Adea daraufhin ein fast normales Leben führen – bis im letzten Herbst bei der jährlichen Routine-Untersuchung im Kosovo eine neue Diagnose gestellt wurde. Adea leidet unter einer subvalvulären Aortenstenose, einer Verengung der Aorta unterhalb der Aortenklappe hervorgerufen durch fibröses Gewebe, das mit der Zeit entstanden und weiter gewachsen ist.
Gesundheitszustand verschlechtert sich
Diese Verengung der Hauptschlagader führte bei Adea zu einer deutlich geringeren Belastbarkeit. Schon bei kleinsten Anstrengungen litt sie unter Luftnot und einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz. „Die linke Herzkammer pumpt als Hauptpumpkammer sauerstoffreiches Blut durch die Aortenklappe über die Hauptschlagader in den Körper. Bei einer zu engen Öffnung zur Aorta, wie in Adeas Fall, bildet sich bildlich gesprochen ein Flaschenhals und die linke Herzkammer muss mehr arbeiten und mehr Blutdruck aufbauen, um ausreichend Blut in den Körper zu pumpen. Durch diese Mehrarbeit verdickt sich der Herzmuskel, wir sprechen dann von einer Linksherzhypertrophie. Je verengter die Stelle ist, desto weniger sauerstoffreiches Blut gelangt in den Körper“, sagt Prof. Farhad Bakhtiary.
Der Weg ans UKB
Zur Behandlung der Aortenstenose ist eine Operation, bei der das überschüssige Gewebe bzw. die Einengung unterhalb der Aortenklappe chirurgisch entfernt wird, notwendig. Da die medizinische Infrastruktur im Kosovo deutlich schlechter als in Deutschland ist und es keine spezialisierte Klinik für Herzchirurgie gibt, recherchierten in Deutschland lebende Verwandte der Familie nach einem passenden Expertenzentrum in Europa. Über mehrere Wochen standen sie in Kontakt mit verschiedenen Kliniken in Deutschland und haben sich schließlich für das UKB entscheiden. Anschließend kümmerten sich die Verwandten um die Finanzierung der lebensnotwendigen OP. Der nun erfolgte Eingriff wurde durch Spendengelder von fünf gemeinnützigen Stiftungen getragen (u.a. „Ein Herz für Kinder“ und „Gerald Asamoha Stiftung“). Die letzte Spendenzusage war ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk, denn sie erreichte Adea und ihre Familie einen Tag vor Heiligabend und ermöglichte die langersehnte Reise nach Bonn.
Innovative OP-Methode
Bei der klassischen OP-Methode würde eine Re-Sternotomie, also eine Wieder-Öffnung des Brustbeins durchgeführt werden, doch dies bedeutet eine große Belastung für die junge Patientin mit Vorerkrankungen und Trisomie 21. „Ich habe mir alle Unterlagen, Ultraschall- und CT-Bilder sehr genau angeschaut und mich dann gemeinsam mit meinem Kollegen Prof. Boulos Asfour für eine minimal-invasive und voll-endoskopisch Operation entschieden“, so Prof. Bakhtiary. Der weltweit einmalige erneute Eingriff war nur aufgrund der hohen Expertise der beiden Operateure und der hohen Fallzahl der von ihnen bereits durchgeführten endoskopischen OPs möglich. „Während Prof. Bakhtiary seine herausragende Expertise aus unzähligen Erwachsenen-OPs eingebracht hat, konnte ich als erfahrender Kinderherz-Operateur mit dazu beitragen, dass wir die innovative Methode erfolgreich auf unsere junge Patientin übertragen haben. Es war großartig für mich, an der OP beteiligt zu sein“, freut sich Prof. Boulos Asfour.
Erfolgreicher Eingriff
Die OP selbst dauerte gerade einmal zweieinhalb Stunden und wurde videoassistiert durchgeführt. Durch einen kleinen Zugang zwischen zwei Rippen gelangten die Operateure zunächst an die Aorta, die geöffnet wurde. Im Anschluss wurde das fibröse Gewebe durch die Aortenklappe erreicht und erfolgreich entfernt. Auch die über die Jahre entstandenen Verwachsungen konnten bei dem Eingriff entfernt werden. „Das war für uns alle ein toller Tag. Das Teamwork mit meinem Kollegen Prof. Asfour war hervorragend. Er ist ein extrem erfahrener Herzchirurg und es hat mir großen Spaß gemacht mit ihm vertrauensvoll und auf Augenhöhe zusammen zu arbeiten“, resümiert Prof. Bakhtiary den gemeinsamen Eingriff. Adea hat die OP hervorragend überstanden und ist mittlerweile auf der Normalstation. Sie hat nun die Perspektive, ein normales Leben führen zu können. Adeas Mutter Shqipe Cerkini ist gerührt und überglücklich: „Wir können unsere Dankbarkeit gar nicht in Worte fassen. Es hat alles so toll geklappt und wir sind so glücklich über den Verlauf der Operation.“
Bildmaterial:
Bildunterschrift 1: Prof. Boulos Asfour (links) und Prof. Farhad Bakhtiary (rechts) gelang der Eingriff aufgrund ihrer herausragenden Expertise in den Bereichen Kinderherz- und Herzchirurgie.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB)/F. Heyder
Bildunterschrift 2: Prof. Boulos Asfour (links) und Prof. Farhad Bakhtiary (rechts) mit Shqipe Cerkini und ihrer Tochter Adea, nach der erfolgreichen Operation.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB)/F. Heyder
Pressekontakt:
Viola Röser
Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
Tel. +49 228 287- 10469
E-Mail: viola.roeser@ukbonn.de
Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr etwa 500.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking sowie in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW und weist den dritthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf.