Schnell mal rüber gepustet: Flächendeckende Rohrpost am UKB
Zukünftig werden im UKB wesentliche Funktionsbereiche, klinische Abteilungen und Klinikgebäude mit einem komplexen Rohrpostsystem (RP) erschlossen. In Zeiten von E-Mails, Clouds und Smartphones ist der Einsatz der Technik aus dem 19. Jahrhundert vielleicht etwas ungewöhnlich. Dennoch hat die Anlage viele Vorteile.
Entgegen der Herkunft des Wortes „Rohrpostsystem“ werden damit keine Briefe oder Päckchen verschickt. Mit maximal 25 km/h schnellen nämlich Blut und Blutprodukte, Laborproben, Schnellschnitte aus OPs, ausgewählte Apothekengüter und Befunde durch die Gebäude und unterirdische Anlagen des Klinikgeländes.
Priorisiert eingesetzt wird diese fördertechnische Anlage aber hauptsächlich zum Transport der anfallenden Laborproben aus den klinischen Abteilungen in das Zentrallabor im Gebäude 024 Bettenhaus sowie zum direkten Transport von Blutprodukten aus der Transfusionsmedizin im Gebäude 043. Zudem können Schnellschnitte während einer OP zur sofortigen Analyse über eine separate Anlage in das Labor der Pathologie im Gebäude 062 geschickt werden.
Die Planung der Rohrpostanlage erfolgt bereits seit dem Jahr 2013 durch das Planungsbüro MMG Ingenieurgesellschaft mbH aus Berlin. Ende dieses Jahres kann dann mit der Umsetzung begonnen werden, die weitere drei Jahre beanspruchen wird. Die lange Planungs- und Bauzeit ist durch die Komplexität der Rohrpostanlage und den Einbau in die bereits existierenden Bauwerke begründet. Dabei ist es wichtig, einen reibungslosen Klinikablauf zu gewährleisten, während die Anlage installiert wird. Bevorzugt werden zuerst die neuralgischen Punkte miteinander verbunden: OPs, Blutbank, Zentrallabor und Pathologie und natürlich die Klinikneubauten.
Kommunikation per Rohr
In Zahlen drückt sich dieses Vorhaben wie folgt aus: Zukünftig werden mehr als 150 Rohrpoststationen, die durch 20 km Fahrrohr und sechs Rohrpostzentralen miteinander verbunden sind, in 18 Bestandsgebäuden und fünf Neubauten installiert. Mithilfe dieser Rohrpostanlage wird dann die technische Möglichkeit der Kommunikation „jeder mit jedem“ zwischen allen angeschlossenen Stationen im Gesamtklinikum umgesetzt. Das heißt: Vom Rohrpostsystem wird sichergestellt, dass eine Sendung sowohl zu einer Station im gleichen Gebäude als auch zu einer Station am anderen Ende des Klinikgeländes gesandt und empfangen werden kann.
Die so genannten Rohrpostzentralen sind technische Betriebsräume, die sich an logistisch notwendigen und sinnvollen Positionen befinden. Diese umfassen eine ausreichend dimensionierte Raumgröße, um die jeweilige Elektroeinspeisung, die RP-Verteiler, die Treibluftversorgung und auch eine entsprechende Rohrpoststeuerung zu beinhalten.
In einem besonderen Fall wird sogar ein eigens dafür vorgesehenes Erdbauwerk errichtet werden, damit die Technik, welche die besonderen Anforderungen an die Raumhöhe stellt (ca. 3,50 m), einen Platz finden kann. Die Verbindung der Gebäude untereinander wird größtenteils durch die Medientunnel im Erdboden des Klinikums sichergestellt.
Dort, wo der Ringschluss des Tunnelsystems im Südosten fehlt, werden die Rohrpostbüchsen mithilfe von eigens für diesen Zweck hergestellten PEHD-Rohren durch die Erde transportiert.
Diese Büchsen haben im Übrigen ein Lademaß von 115 x 330 mm (D x H) und können mit bis zu 1,5 kg beladen werden. Vorhandene Rohrpostlösungen in den Gebäuden ZIM und Bettenhaus werden in die neue Transportlösung einbezogen, müssen jedoch aufgrund des größeren Durchmessers der Fahrrohrleitungen (200 mm im Gegensatz zu 160 mm im neuen System) demontiert werden. Der Vorteil: Durch die Anbindung dieser Gebäude in das Gesamtsystem kann zukünftig die Kommunikation mit anderen Klinikbereichen in anderen Gebäuden erfolgen.
Langsamfahrten für sensible Post
Das Gesamtsystem ist als Mehrlinien-Einrohr-Wendebetriebssystem geplant. Bei dem technischen Prinzip Wendebetrieb wird innerhalb einer Rohrpostlinie ein Zweirichtungsbetrieb ermöglicht. Das heißt: Rohrpostbüchsen werden innerhalb einer Rohrpostlinie in einem Rohr sowohl gesendet als auch empfangen. Die Verbindungslinien zwischen den dezentral angeordneten Rohrpostzentralen arbeiten im Einrichtungsbetrieb. Kurzum: Hier fährt die RP-Büchse richtungsbezogen von einem Verteiler zum anderen. Dadurch werden hohe Durchsatzergebnisse ermöglicht, weil gleichzeitig in den angeschlossenen RP-Linien Transportvorgänge ablaufen können. An allen RP-Standorten werden hauptsächlich Laborproben in Langsamfahrt (mit ca. 3 m/s) versendet.
Die separat arbeitende Schnellschnitt-RP-Anlage wird mit einer Geschwindigkeit von ca. 6 m/s konzipiert. Die reduzierte Geschwindigkeit bei den empfindlichen Laborproben und Blutprodukten hilft, der Hämolyse vorzubeugen, die bei zu großen äußeren Kräften auf das Ladegut – wie Stößen und Kurvenfahrten – auftreten könnte. Die Langsamfahrt ist nicht die einzige Maßnahme zur Vermeidung der Hämolyse. Zwei weitere Prüfungen sind vom Ingenieurbüro MMG geplant, um diesem Effekt vorzubeugen. Zum einen werden die verlegten Fahrrohrleitungen von einer Testbüchse durchfahren, die mit einem Beschleunigungssensor ausgestattet ist. Dieser vermisst die Trasse und identifiziert besondere Orte mit Krafteinwirkung. Zum anderen erfolgt vor der Inbetriebnahme der Transportanlage eine Validierung. Hierbei werden Blutproben durch das System geschickt, um die Rohrpostanlage anhand deren Auswertung nach Ankunft fein zu justieren und die Geschwindigkeit anzupassen. Übrigens: Das Blut für die Tests wird meist von Mitarbeitern des Planungsbüros zur Verfügung gestellt. Die Eingabe der gewählten Zieladresse an der RP- Station konfiguriert dazu automatisch die zulässige, in der Validierung ermittelte Transportgeschwindigkeit. Für einen Versand von unkritischen Transportgütern von allen im System befindlichen Rohrpoststationen ist eine freie Wahl der Transportgeschwindigkeit (mit ca. 6 m/s) möglich.
Smartes Leergut
Mithilfe der Bedientastatur an allen Rohrpostsendestationen und Rohrpostempfangsstationen ist eine Versendung von Rohrpostbüchsen an jede im System angeschlossene Rohrpoststation problemlos möglich. Auch der prinzipiellen Verfahrensweise der Büchsenrücksendung (Leerbüchsentransporte) kommt ein hoher Stellenwert zu. Grundsätzlich werden die empfangenen Rohrpostbüchsen über das Rohrpostsystem zu den jeweiligen „Quellen“ zurückgesendet. Eine manuelle Rückverteilung zu den Herkunftsstationen ist nicht notwendig. Konzeptionell wird es auch dezentral angeordnete Leerbüchsenspeicher geben, von denen über die Eingabe einer Tastenkombination an den RP-Stationen zusätzliche Versandbehälter angefordert werden können. Des Weiteren werden in die Rohrpostbüchsen mobile Datenträger (Transponder) fest eingebracht. Diese speichern büchsenbezogen sowohl die Heimatadresse der zugeordneten Rohrpoststation als auch die variablen Daten. Dadurch können die zwingend notwendigen Leerbüchsenrücksendungen teilautomatisiert abgearbeitet werden. Die eingegebenen Transponderdaten sind im Anlagenbetrieb für mehrere Systemfunktionen nutzbar, wie zum Beispiel für die wichtige Dokumentation und den Nachweis der Sendungen.
Die sich bereits im Bau befindlichen Neubauprojekte (NPP und ELKI) sind in diese RP-Gesamterschließung ebenfalls schon eingebunden. Mit Fertigstellung des Rohbaus wurde und wird parallel zur TGA-Installation damit begonnen, die Fahrrohrtrasse zu montieren. Somit ist sichergestellt, dass dieses moderne und flexible Transportsystem nicht nur in den betreffenden Bestandsgebäuden, sondern bereits von Beginn an in den bereits bekannten und in Planung befindlichen Neubauvorhaben vorgesehen wird.
Die RP-Gesamtanlage wird für eine Transportfunktion von 24/7/365 ausgelegt sein. Somit ist das UKB für zukünftige Aufgaben gewappnet und in puncto innerbetrieblicher Transport auf dem neusten Stand der Technik.