Dr. Kim Melanie Kaiser (li. u.), Dr. Benjamin Krämer (li. o.), Dr. Robert Hüneburg (r. u.) und Prof. Jacob Nattermann (r. o.) bringen Immunzellen mit höherem Duodenalkarzinom-Risiko bei erblicher FAP in Verbindung.
VERFASST VONUKB NewsRoom

Neuer Weg zur Vorbeugung von Zwölffingerdarmkrebs

Bonner Forschende bringen Immunzellen mit höherem Duodenalkarzinom-Risiko bei erblicher FAP in Verbindung

Bonn, 25. April – Menschen mit der Erbkrankheit Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) haben ein stark erhöhtes Risiko an einem bösartigen Tumor des Zwölffingerdarms zu erkranken. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 der Universität Bonn entdeckten nun einen Mechanismus im lokalen Immunsystem, der die Entstehung von Krebs vorantreiben kann. Sie sehen darin einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Vorbeugung eines Duodenalkarzinoms bei Menschen mit FAP. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Die Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) ist eine Erbkrankheit, die neben einem hohen Risiko für Darmkrebs, auch ein stark erhöhtes Risiko Zwölffingerdarmkrebs, fachsprachlich Duodenalkarzinom, mit sich bringt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es lediglich die engmaschige endoskopische Kontrolle mit Entfernung der Vorstufen, die so genannten Polypen, was allerdings auch mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. „Doch spezifische vorbeugende Therapien existieren nicht“, sagt Co-Letztautor Dr. Benjamin Krämer, wissenschaftlicher Leiter des Labors für angeborene zelluläre Immunologie am UKB. „Da der Schweregrad der Erkrankung selbst bei Trägern der gleichen Genmutation stark variiert, wird nach weiteren Faktoren, die die Krankheitsentwicklung beeinflussen, gesucht – und das lokale Immunsystem rückt dabei in den Fokus.“

Botenstoff verursacht Schädigung des Erbguts

Die Bonner Forschenden haben nun entdeckt, dass bestimmte Zellen des angeborenen Immunsystems, die sogenannten Typ-3 angeborenen lymphoiden Zellen (ILC3), in deutlich erhöhter Anzahl im Duodenum von FAP-Betroffenen vorkommen. „Diese Zellen fanden wir vermehrt in der Schleimhaut, insbesondere in der Nähe von Polypen und Krebsbereichen“, sagt Co-Letztautor Dr. Robert Hüneburg, Oberarzt der Medizinischen Klinik I und am Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am UKB.

Die Bonner Forschungsergebnisse liefern Hinweise darauf, wie diese Immunzellen zur Krebsentstehung beitragen könnten: Sie produzieren einen Botenstoff namens Interleukin-17A (IL-17A). „Dieser Botenstoff scheint Darmzellen dazu anzuregen, vermehrt schädliche Moleküle zu produzieren, die als reaktive Sauerstoffspezies, kurz ROS, bekannt sind. Hohe Konzentrationen dieser ROS können das Erbgut in den Zellen schädigen“, sagt Erstautorin Dr. Kim Melanie Kaiser, die bis vor kurzem als Doktorandin im Exzellenzcluster ImmunoSensation² der Universität Bonn forschte. Solche Schäden der DNA, dem Träger der Erbinformationen, sind ein bekannter Faktor, der die Entstehung von Krebs vorantreiben kann.

„Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass die erhöhte Anzahl von Interleukin-17A-produzierenden ILC3 im Duodenum ein lokales Umfeld schafft, das die Krebsentstehung bei FAP-Betroffenen begünstigt“, sagt Co-Letztautor Prof. Dr. Jacob Nattermann vom Labor für angeborene zelluläre Immunität, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik I und Oberarzt am Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am UKB. Er ist zudem Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation² und in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn. „Daher könnte die gezielte Beeinflussung dieser Immunzellen oder insbesondere die Blockade des Botenstoffs IL-17A direkt im Duodenum einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Vorbeugung von Duodenalkarzinoms bei Menschen mit FAP darstellen und eine dringend benötigte Therapieoption neben der reinen endoskopischen Überwachung bieten.“

Beteiligte Institutionen und Förderung:
Diese Ergebnisse beruhen auf einer Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland. Die Studie wurde unter Federführung von Forschenden der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Bonn (UKB) durchgeführt, wobei auch das Exzellenzcluster ImmunoSensation² der Universität Bonn eine maßgebliche Rolle spielte. Ebenfalls beteiligt waren das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn, das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), welches an das Universitätsklinikum Charité in Berlin angegliedert ist und im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms SPP 1937 „Innate Lymphoid Cells“ kooperierte, sowie die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, die im Kontext des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) mitwirkte.

Publikation: Kim M. Kaiser et al.: IL-17A-producing NKp44(-) group 3 innate lymphoid cells accumulate in Familial 2 Adenomatous Polyposis duodenal tissue; Nature Communications; DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-58907-y

Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Jacob Nattermann
Labor für angeborene zelluläre Immunität
Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen des Magen-Darm-Traktes
Medizinische Klinik und Poliklinik I
Universitätsklinikum Bonn (UKB)
ImmunoSensation² & TRA „Life & Health“, Universität Bonn
E-Mail: jacob.nattermann@ukbonn.de

Dr. Benjamin Krämer
Wissenschaftliche Laborleitung
Labor für angeborene zelluläre Immunität
Medizinische Klinik und Poliklinik I
Universitätsklinikum Bonn (UKB)
E-Mail: benjamin.kraemer@ukbonn.de

Bildmaterial:

Dr. Kim Melanie Kaiser (li. u.), Dr. Benjamin Krämer (li. o.), Dr. Robert Hüneburg (r. u.) und Prof. Jacob Nattermann (r. o.) bringen Immunzellen mit höherem Duodenalkarzinom-Risiko bei erblicher FAP in Verbindung.

Bildunterschrift: Prozess im lokalen Immunsystem, der die Entstehung von Krebs bei erblichen FAP-Syndrom vorantreiben kann. Abbildung wurde mit ChatGPT4o generiert.

Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Dr. Benjamin Krämer

Dr. Kim Melanie Kaiser (li. u.), Dr. Benjamin Krämer (li. o.), Dr. Robert Hüneburg (r. u.) und Prof. Jacob Nattermann (r. o.) bringen Immunzellen mit höherem Duodenalkarzinom-Risiko bei erblicher FAP in Verbindung.

Bildunterschrift: Dr. Kim Melanie Kaiser (li. u.), Dr. Benjamin Krämer (li. o.), Dr. Robert Hüneburg (r. u.) und Prof. Jacob Nattermann (r. o.) bringen Immunzellen mit höherem Duodenalkarzinom-Risiko bei erblicher FAP in Verbindung.

Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB); (l. u.) Dr. Kim M. Kaiser

Pressekontakt:
Dr. Inka Väth
stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: (+49) 228 287-10596
E-Mail: inka.vaeth@ukbonn.de

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB finden pro Jahr etwa 500.000 Behandlungen von Patient*innen statt, es sind ca. 9.500 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,8 Mrd. Euro. Neben den 3.500 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr 550 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, hatte in 2023 in der Forschung über 100 Mio. Drittmittel und weist den zweithöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf. Das F.A.Z.-Institut hat das UKB mit Platz 1 unter den Uniklinika in der Kategorie „Deutschlands Ausbildungs-Champions 2024“ ausgezeichnet.

Das Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Bonn ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute am Universitätsklinikum zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller onkologischen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. 2018 wurde aus dem seit 2007 bestehenden CIO Köln Bonn mit den universitären Krebszentren aus Aachen, Köln und Düsseldorf das „Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf“ gegründet. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.

 

New way to prevent duodenal cancer: Bonn researchers link immune cells to higher risk of duodenal carcinoma in hereditary FAP (PDF)

Skip to content