Schmerzen bei Intensivpatienten reduzieren
Intensivpflegerin am Universitätsklinikum Bonn konzipiert Schulungskonzept für Pflegefachpersonal
Bielefeld / Bonn, 09. März – Viele auf Intensivstationen versorgte kranke Menschen leiden unter unnötigen Schmerzen. Das kann unter anderem daran liegen, dass sie sich aufgrund ihrer Erkrankung nicht mitteilen können, oder dass das Pflegepersonal deren Schmerzen falsch beurteilt. Oft wissen die Pflegenden aber auch gar nicht, wie man die Instrumente zur Schmerzeinschätzung richtig einsetzt. Claudia Weiß, examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Stationsleiterin auf der chirurgischen Intensivstation des Universitätsklinikums Bonn (UKB), ist die erste Absolventin des neuen Master-Studienganges „Erweiterte Pflegeexpertise“ an der FH Bielefeld. In ihrer Abschlussarbeit untersuchte sie, wie Pflegefachpersonen dank gezielter Schulung die Schmerzen von Patienten auf der Intensivstation genauer beurteilen können. Der Effekt: Weniger Leid, schnellere Genesung und keine Chronifizierung von Schmerzen.
Die Bedeutung einer exakten Schmerzbehandlung wird häufig unterschätzt. „Dabei geht die Entwicklung von Scores und Assessments in der Intensivmedizin zurück bis in die 1980-er Jahre“, sagt Claudia Weiß. „Leider werden sie immer noch viel zu wenig angewendet.“ Wie man das trotz wenigen Ressourcen in der Pflege in Deutschland ändern könnte, davon handelt ihre Abschlussarbeit am Fachbereich Gesundheit der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Ihre These ist so simpel wie überzeugend: Wenn Pflegefachpersonen mehr über die korrekte Ermittlung von Schmerzen wissen, können sie den Patienten mit entsprechenden Maßnahmen gezielter helfen. „Die Bedeutung einer adäquaten schmerzlindernden Behandlung wird vielfach unterschätzt“, so die Expertin. „Ein sehr häufiges Phänomen nach Verlassen der Intensivstation ist die Chronifizierung von Schmerzen. Und das ist dann nur noch schwer zu therapieren.“ Die häufigen Folgen: Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung – und lebenslange Schmerzen. Immens sind dabei nicht zuletzt die Kosten für die Gesundheits- und Sozialsysteme.
Wenn Patienten sich nicht mitteilen können, muss man auf ihr Verhalten achten
Wie misst man überhaupt Schmerz? „In der Regel eigentlich ganz einfach“, sagt Weiß. „Man fragt den Patienten, wie er oder sie diesen auf einer Skala von null bis zehn einordnen würde.“ Ist allerdings die Kommunikation mit der zu pflegenden Person eingeschränkt, etwa aufgrund einer Intubation, muss die Pflegefachperson drei Komponenten beurteilen: die Angespanntheit des Gesichtsausdrucks, die schmerzinduzierten Bewegungen von Schultern, Armen und Händen sowie den Umstand, ob die maschinelle Beatmung problemlos durchführbar ist oder nicht. Das jeweilige Verhalten des Patienten wird mit Punkten bewertet – das Ergebnis ist ein Hinweis auf die Schmerzintensität. Im Fachjargon heißen die beiden Verfahren Numeric Rating Scale (NRS) und Behavioral Paine Scale (BPS).
Neues Schulungsangebot zeigt Wirkung
Claudia Weiß ermittelte am UKB per Fragebogen inwieweit das Pflegefachpersonal diese „Assessments“ kennt und wertete zudem Patientendaten aus. Dann setzte sie ein 30-minütiges Schulungsprogramm auf, an dem 60 Prozent der Pflegekräfte teilnahmen, und erstellte ein Poster mit den wesentlichen Inhalten der Assessments. „Eine anschließende erneute Fragebogenaktion und Analyse der digitalen Patientenakten zeigte eine Übernahme der Schulungsinhalte“, freut sich Weiß. So wussten die Pflegefachpersonen nicht nur mehr über NRS und BPS, sondern wendeten vor allem letzteres Assessment auch vollständiger an. „Ich konnte in diesem Punkt einen Zuwachs von 15 Prozent ermitteln“, sagt Weiß. „Allerdings fand meine Interventionsstudie mitten in der Corona-Pandemie statt. Das Arbeitsaufkommen auf der Intensivstation war dadurch extrem erhöht und sehr herausfordernd. Zu einem anderen Zeitpunkt wären sicher noch bessere Resultate herausgekommen.“
Die Studie ist für Claudia Weiß jedoch nur der Anfang. Gemeinsam mit der Projektgruppe „Zukunftswerkstatt für Pflegefachpersonen“ am UKB hat sie bereits ein E-Learning-Programm konzipiert. Außerdem sind Kitteltaschenkarten und kurzzeitige Fortbildungen „One Minute Wonder“ entstanden, die die wichtigsten Schulungsinhalte grafisch abbilden. Auch weitere Forschungen auf diesem Gebiet sind geplant. „Ich würde es begrüßen, wenn die Assessments zur Schmerzbeurteilung auf allen Intensivstationen des UKB eingeführt werden würden“, so Weiß.
Infos zum Studiengang „Erweiterte Pflegeexpertise“ an der FH Bielefeld unter:
https://www.fh-bielefeld.de/studiengaenge/erweiterte-pflegeexpertise
Bildmaterial:
Bildunterschriften:
Bild 1: Masterarbeit zur Schmerzbeurteilung auf der Intensivstation:
Claudia Weiß(li) bespricht mit ihrer Kollegin Kerstin Schaefer die durchgeführten Assessments zur Schmerzintensitäts-Abfrage.
Bild 2: Masterarbeit zur Schmerzbeurteilung auf der Intensivstation:
Claudia Weiß befragt ihren Patienten zu der Intensität seiner Schmerzen.
Bildautorin: Sarah Jonek
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stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
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Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr etwa 500.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Personen in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking sowie in der Focus-Klinikliste auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW und weist den dritthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf.
Über die FH Bielefeld Die FH Bielefeld ist mit über 10.500 Studierenden die größte Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Ostwestfalen-Lippe (OWL). Mit Standorten in Bielefeld, Minden und Gütersloh ist sie in der Region, bundesweit und international durch vielfältige Kontakte, Partnerschaften und Kooperationen in Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur stark vernetzt. Vom Vollzeitstudium über das praxisintegrierte Studium bis hin zum berufsbegleitenden Studium ist das Lehrangebot an der FH von Qualität und Vielfalt geprägt. Lehre und Forschung geschehen in den sechs miteinander interdisziplinär vernetzten Fachbereichen „Gestaltung“, „Campus Minden“, „Ingenieurwissenschaften und Mathematik“, „Sozialwesen“, „Wirtschaft“ und „Gesundheit“.